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Zwischen Informationslücke und Verantwortung

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, 02.09.2025

Wenn Ausbildung, Zeit und System nicht zusammenpassen
1.500 Präparate auf einer Abteilung, Multimorbidität und Polypharmazie. Zwei Minuten pro Patient:in bei der Visite, jeweils bis zu 10 verschiedene Arzneimittel überprüfen. Und täglich Entscheidungen über Dosierungen, Wechselwirkungen und neue Therapien. Wer hier Fehler macht, gefährdet nicht nur die Behandlung – sondern riskiert reale Schäden. Doch wer unterstützt Ärzt:innen in dieser Verantwortung?

Komplexität trifft auf Zeitdruck
Die ärztliche Tätigkeit wird immer anspruchsvoller: Multimorbide Patient:innen, Polypharmazie, komplexe Therapieschemata – und das alles in einem System, das keine Zeit lässt. Visiten sind kurz, Anamnesen unvollständig, Medikationspläne oft nicht konsolidiert. Hinzu kommt eine fragmentierte Kommunikation zwischen Stationen, Apotheken und Ambulanzen. Entscheidungen werden schnell gefällt – aber selten gemeinsam reflektiert.

Die Ausbildung bereitet nicht ausreichend vor
Zwar gehört Pharmakologie zum Pflichtprogramm im Medizinstudium, doch viele junge Ärzt:innen beklagen, dass ihnen der konkrete klinische Bezug fehlt. Die sichere Anwendung, Anpassung und Bewertung von Medikamenten ist selten Teil des Curriculums. Laut einer Untersuchung im Auftrag des britischen General Medical Council entstehen viele Verschreibungsfehler nicht aus Fahrlässigkeit, sondern aus Unsicherheit – weil klinisches Training zur Arzneimitteltherapie fehlt¹.

Digitale Systeme sind kein Ersatz für Wissen
Tools wie eMedikation oder AMTS-Prüfungen unterstützen theoretisch – doch sie können nur so gut funktionieren, wie die Personen, die sie bedienen. Wenn Grundlagen fehlen oder der Zeitdruck zu hoch ist, bleiben Warnhinweise ungenutzt, Anamnese-Lücken bestehen und Interaktionen unentdeckt. Gerade in stressreichen Situationen braucht es mehr als Software: Es braucht Handlungssicherheit.

Wie MEDCH unterstützt
MEDCH setzt genau hier an: Mit realistischen Fallbeispielen, die häufige Unsicherheiten im klinischen Alltag abbilden. In kurzweiligen Lerneinheiten können Ärzt:innen, Pharmazeut:innen und Pflegekräfte trainieren, was in der Ausbildung oft zu kurz kommt: klinisches Denken unter Zeitdruck, differenzierte Arzneimittelentscheidungen, Kommunikation im Team. Die interaktiven Trainings stärken Wissen, Reflexionsfähigkeit und interdisziplinären Austausch – und fördern so eine Sicherheitskultur, die weit über Lehrbücher hinausgeht.

Fazit
Medikationsfehler entstehen nicht nur durch Unachtsamkeit, sondern durch strukturelle Lücken: zu wenig Zeit, zu viel Verantwortung, zu wenig Training. Wer sichere Medikation will, muss Aus- und Fortbildung neu denken – praxisnah, reflexiv, interdisziplinär. Genau das bringt MEDCH ins Krankenhaus.


Quellenverzeichnis

1.     Dornan, T. et al. (2009). An in-depth investigation into causes of prescribing errors by foundation trainees in relation to their medical education. General Medical Council.
→ Zeigt, dass viele ärztliche Fehler auf fehlende klinische Vorbereitung im Umgang mit Arzneimitteln zurückgehen.

2.     Assiri, G. A., et al. (2018). What is the epidemiology of medication errors...? BMJ Open, 8(5), e019101.
→ Systematische Übersicht zur Häufigkeit und zu Ursachen von Medikationsfehlern im Krankenhaus.

3.     Krähenbühl-Melcher, A. et al. (2007). Drug-related problems in hospitals: a review of the recent literature. Drug Safety, 30(5), 379–407.
→ Untersucht strukturelle Ursachen wie Zeitdruck, Kommunikationslücken und fehlende Schulung im klinischen Allt